Über Menschen
von Juli Zeh in einer Bühnenfassung von Ann-Kathrin Hanss
Du bist immer mit Denken beschäftigt. Lass die Welt doch sein, wie sie ist.
Gote
Dora steht mit einem Spaten auf dem Stück Wildnis, das einmal ein Garten war und nun ein Kartoffelacker werden soll, und fragt sich, wann ihre Welt eigentlich aus den Fugen geraten ist. Die 36-jährige Werbetexterin ist aus Berlin in die brandenburgische Provinz geflüchtet. Wovor, das weiß sie auch nicht so genau. Vor ihrem Freund, der sich in die Apokalypse verliebt hat und zum kompromisslosen Hardliner geworden ist? Oder vor ihrem sicheren Job im Großraumbüro eines nachhaltigen Weltretter-Labels? Vor der von Politik und Medien verkündeten Spaltung der Gesellschaft in links und rechts, gut und böse? Oder vor der Corona-Pandemie, die mit abgesperrten Spielplätzen und Spaziergangsverboten dem Chaos die Krone aufsetzt?
Sicher weiß Dora nur eins: Sie will weg, so weit wie möglich, am liebsten in den Weltraum und mit ihrem Lieblingsastronauten Karten spielen. Stattdessen hat sie jetzt ein Haus im 284-Einwohner-Ort Bracken, einen Nachbarn, der sich selbst als Dorf-Nazi vorstellt, und außer ihrer Hündin niemanden, den sie kennt. Sie merkt schnell, dass nichts, was sie über Menschen, Politik und das Leben zu wissen geglaubt hat, hier gültig ist. Sie trifft Personen, die sich jeder Einordnung in ihr Weltbild entziehen. Sie hört Geschichten, die in keine Schublade passen. Und je mehr sie Teil dieser Gemeinschaft wird, desto deutlicher wird ihr: Das Entscheidende ist nicht die Frage nach richtig oder falsch, sondern unser Zusammenleben. Die Fähigkeit, die Anderen trotz aller Widersprüche auszuhalten und zu respektieren. Es gibt mehr, was die Menschen vereint, als was sie trennt. Wir müssen uns nur trauen, es zuzulassen.
Der Roman ÜBER MENSCHEN von Juli Zeh ist im Luchterhand Literaturverlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe erschienen.
© Rowohlt Theater Verlag, Hamburg